"Sorgenbrecher sind die Reben" in Weinstadt-Strümpfelbach

Literatur, Musik und Wein im Alten Kelter am 04-11-2005.

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Artikel aus der Waiblinger Kreiszeitung vom 07-11-2005 (transcribierte Version):



Ingo Klopfer und Michel Biehler unterhielten das Publikum am Freitagabend mit Literarisch-Poetischem rund um das Thema Wein.

Loblieder und zynische Weinweisheiten

Weinseliger Abend mit Ingo Klopfer und Akkordeonspieler Michel Biehler in der Strümpfelbacher Kelter

Von unserer Mitarbeiterin Tina Bauer

Weinstadt-Strümpfelbach. Wein verbindet Gedichte und Akkordeonmusik. Wein verbindet Jahrhunderte. Wein verbindet Kontinente. Ob Goethes Loblieder an die Reben als Sorgenbrecher, Brechts zynische Weinweisheiten oder derbe Trinker-Testamente - bei der „Wein-Lese" in der Strümpfelbacher Kelter verbanden Rezitator Ingo Klopfer und Akkordeonspieler Michel Biehler dies bravourös.

Akkordeon-Musik aus Frankreich und vorgelesene Wein-Gedichte aus aller Welt, dazu süffige Weine vom Weingut Wilhelm aus Strümpfelbach - mehr brauchte es am Freitagabend nicht, damit die Leute nicht nach Hause wollten. Bravo-Rufe, anhaltenden Applaus gab's für Ingo Klopfer und Michel Biehler. Sie hatten das Publikum zweieinhalb Stunden auf eine weinselige Reise rund um den Globus entführt - und begeistert, bis keiner mehr nach Hause wollte.

Zur Einstimmung legte Klopfer offen, „welch' Alkoholnebel über der Literatur liegt". Er enthüllte aussagekräftige Statistiken. Während in Deutschland jährlich 23,4 Liter Wein pro Kopf getrunken und 20 Bücher gelesen werden, sind es in Frankreich 100,9 Liter Wein und zwölf Bücher -„acht Liter Wein bei jedem gelesenen Buch!" Die Schriftsteller seien da nicht ausgenommen. Im Gegenteil. Vor allem die Lyriker seien fleißige. Schluckspechte, weshalb er mehr Gedichte als Prosa vorlese, „von denen einige bestimmt auch im Rausch geschrieben wurden".

„Für Sorgen sorgt das liebe Leben, und Sorgenbrecher sind die Reben"

Die bekannteste Ode an den Rebensaft: Goethes „Und die Sorgenbrecher sind die Reben...". „Jugend ist Trunkenheit ohne Wein. Trinkt sich das Alter zur Jugend, so ist es eine wunderbare Tugend. Für Sorgen sorgt das liebe Leben, und Sorgenbrecher sind die Reben." Auch Lessing war dem Rebensaft nicht abgeneigt. Denn er schrieb: „Ob ich morgen lebe, weiß ich nicht. Doch wenn ich morgen leben, trinke ich ganz gewiss."

Die Wünsche, Sehnsüchte und Träume, die die Menschen in den Wein, die Rebe und den Genuss legen, sind weltumspannend. Ingo Klopfer las Gedichte aus China vor oder Pablo Nerudas südamerikanische Ode an den Wein. Viel zuzustimmen hatte das Publikum. Wie der klassischen These über das Wohl des Weines: „Guter Wein macht guten Schlaf. Wer gut schläft, sündigt nicht. Wer nicht sündigt, kommt in den Himmel. Ergo: führt guter Wein in den Himmel."

Manche Vorträge stimmten melancholisch. Den Gedanken nachhängen konnten die Zuhörer während des Spiels von Michel Biehler. Virtuos ließ er seine Finger über Tasten und Knöpfe seines Akkordeons fliegen, spielte französische Chansons, türkische Polka, träumerische Walzer.

Zynisches gab's von Bertolt Brecht

Aber auch viel zu Schmunzeln und Lachen gab es. So Anita Pichlers „Frühstücks "-Gedicht: Gedanken darüber, dass der Mensch nicht gern alleine ist und deshalb gerne seine Kater zum Frühstück zu Besuch hat. Zynisches kam von Bertolt Brecht: „Es war einmal ein Mann, der fing das Trinken an. Mit achtzehn Jahr, und - daran ging er zugrund. Er starb mit achtzig Jahr. Woran, ist sonnenklar. Es war einmal ein Kind, das starb viel zu geschwind. Mit einem Jahre, und - daran ging es zugrund. Nie trank es: das ist klar. Und starb mit einem Jahr. Daraus erkennt ihr wohl, wie harmlos Alkohol."

Mischung aus Leichtigkeit und literarischer Schwere

Oder die moderne, literarisch und inhaltlich „zugegeben niveaulosere" Anekdote: „Ein Mann von der Mosel wollte seinen fantastischen neuen Wein einen besonderen Namen geben. Er nannte ihn Mosel-Blümchen. Was einem Mann von der Ahr so gut gefiel, dass er seinen Wein Ahr-Blümchen nannte. Im nächsten Jahr klaute er wieder. Im dritten Jahr nahm der Mosel-Weinbauer Rache und nannte seinen Wein Mosel-Schleckerchen. Und an der Ahr wurde aus Mosel-Schleckerchen Ahr-. . ."

Die Mischung aus Leichtigkeit und literarischer Schwere, Lachen und Andacht ließ den Abend im Fluge vergehen. Besonders beeindruckte Michel Biehlers Spiel, so dass nach zwei Zugaben die Leute immer noch nicht gehen wollten - wozu der gute Wein sein Übriges tat.



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Artikel aus der Waiblinger Kreiszeitung vom 07-11-2005 (gescannte Version):

Weinseliger Abend in der Strümpfelbacher Kelter

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